Achtsam durch Statistik fliegen, oder die Tücken des Alltags!
Lesedauer: ca 3 Min.
Wer hätte gedacht, dass das Leben schon wieder so entsetzlich wenig Rücksicht auf meine Achtsamkeitsreise nimmt? Bevor es für die nächsten zwei Monate nach Portugal gehen konnte, lernte ich eine wunderbare Lektion über das Leben: Atmen hilft nicht durch Statistik!
Aber mal vorne angefangen: Der zweite Monat meiner Reise stand eigentlich ganz im Zeichen der Achtsamkeit, und dem Entdecken der heimischen Natur. Soweit der Plan- und da ich mordsmäßig talentiert im Planen, jedoch nicht im Beachten des Kalenders bin, hatte mich bis Mitte September auch so ziemlich nichts aus der Ruhe gebracht. Abgesehen von dem Moment, als ich meinen Herd getötet habe, aber dazu später.
Ich schlappe gerade höchst tiefenentspannt durch den Pfälzerwald, jodel verdächtig schief ein paar Pfadfinderlieder und verdaue noch die irritierende Begegnung des Morgens. Kein Reh. Kein Fuchs. Dafür Vater und Sohn auf der Wanderschaft, gesprächswillig, 2-Mann AFD Fanclub auf der dringenden Suche nach einem dritten Mitglied – ach und beruflich damit beschäftigt Menschen mit ihrem früheren Leben zu verbinden. Für 500 unchristliche Euro pro Sitzung. Aber dieser Story widme ich besser einen eigenen Eintrag. Das hat sie verdient. Ehrlich.
Also zurück zum Jodeln. Meine Gehmeditation schien sich ´ne Auszeit zu nehmen, meine Gedanken waren nämlich überall, von der anstehenden Portugalreise bis hin zum Abendessen, als bei mir plötzlich der Groschen fiel: Scheiße, da war doch noch was vor Portugal. Ah. Jau. Statistik! Genau genommen in weniger als drei Wochen. So schnell hast du noch niemanden mit Wanderrucksack zum Auto rennen sehen, soviel steht fest. Anderthalb Monate Achtsamkeit schienen plötzlich vergessen, stattdessen überrollte mich Panik. Warte, wie war das noch gleich mit der inneren Einstellung? Ok. Einatmen. „Ich schaffe das. Ich kann alles schaffen, es kommt nur auf mein Mindset an.“ Ausatmen. Nachspüren. Noch mehr Panik.
Jetzt hatte ich plötzlich das Bedürfnis mir selbst ´nen Mental Health Coach zu suchen. Aber Jammern hilft nicht, also einmal das volle Programm: Lernen-Arbeiten-Lernen-Essen-Lernen-Heulen-Lernen-Schlafen-Überlegen den Master im fünften Semester hinzuschmeissen und ne Gesangskarriere zu starten-Akzeptanz. Ja, ich gebe zu: Diese Prüfung war mein Endgegner und ich hatte versehentlich das Training für den finalen Endkampf verpennt.
Der Profi hegt Lernstrategien
Nutze nichts, also her mit seriösen Methoden in der Klausurvorbereitung. Noch eine Woche Zeit, immer noch 200 Folien zum auswendiglernen, aber als Profi weiß man ja wie’s geht: Das Konzept „Gedächtnispalast“ ist sowas von 2020, da fiel mir wesentlich Besseres ein: Strategie „Vier gewinnt“ „Lernen auf Lücke“ und „Auswendiglernen der Altklausuren“ waren im vollen Gange. Langsam fand ich auch in meine Routinen zurück, also die Sparpreisversion, aber immerhin für kurze Yogaflows und die ein oder andere Meditation reichte es. Journaling lag erstmal auf Eis. Liest sich auch etwas komisch „10.September: Habe gelernt, gegessen, geduscht und geschlafen“ „11. September: Siehe gestern“ „12. September Gedenke umzuschulen“ „13. September: wer braucht schon Abschlüsse, wichtig ist doch eh das Hier und Jetzt“. „14.September: Habe das Lernen eingestellt, bin schaukeln. Man lernt ohnehin nur wirklich vom Leben“.
Die Schwierigkeit an Routinen ist, sie beizubehalten, wenn unerwartete Dinge auf dich zukommen. Mein Coach meinte mal, dass wir, wenn wir wirklich achtsam sind, jedem Moment mit vollkommener Offenheit begegnen. Also in jedem Moment mit allem rechnen und uns somit auch nichts lang aus der Ruhe bringt. Ob er wohl auch bei Alieninvasionen gelassen bleibt?
In dem Moment als ich die Nudeln auf dem Herd vergessen (und offensichtlich höchst unachtsam gekocht, gelernt und auch noch den Raum verlassen habe), war ich offenkundig ziemlich weit entfernt von offen. Ich dachte nämlich kurz ich werde aktiv erschossen, als mir mit einem lauten Knall die Elektronik vom Herd um die Ohren flog. Das Nudelwasser hatte sich überlegt zwischen Herd, Ofen und non-existenter Dichtung ist doch auch ganz schön. Ja danke.
Kein Herd, also auch nix mehr zum in die Luft jagen. Hunger hatte ich ohnehin keinen mehr, da die Prüfung am nächsten Morgen anstand.
Jetzt half wohl nur noch atmen. Ich atmete was das Zeug hielt. Gefühlt jede erdenkliche Pranayama-Technik, die mir einfiel rauf und runter (Prana bedeutet Lebensenergie/Atmung und Ayama beherrschen, kontrollieren und ist ein Teil der Yogapraxis).
Anderthalb ziemlich bewusste Minuten später die nüchterne Erkenntnis: Houston, wir haben ein Problem. Atmen einstellen, übergehen zum Beten!
Übrigens: Wie du vielleicht schon festgestellt hast, findest du in dieser Rubrik einen nicht ganz ernst gemeinten Umgang mit dem Thema Achtsamkeit. Da musst du leider durch, weil ich gerne Schreibe 🙂 Falls du dich jedoch genauer für dieses Thema interessierst, zum Beispiel für Methoden gegen Prüfungsangst und Nervosität, schau doch in meinem Blog unter der Rubrik „Health“ vorbei. Dort findest du kurze und sachliche Artikel zu den Themen!
4 Antworten
Großartig geschrieben, grandioser Schreibstil. Ich musste sehr lachen und hoffe, dass nicht nur dein Herd, sondern auch du das Nicht-Atmen wieder eingestellt haben 😀.
Ich freue mich auf weitere Beiträge 🥰.
Liebe Grüße, Sara
Oha, das seh ich ja jetzt erst! Das ist aber lieb von dir! Und hilft mir grad sehr, dran zu bleiben! Ganz herzlichen Dank für deine super liebe Nachricht, viele liebe Grüße, Kim
Unterhaltsam. Mehr davon. Wie ist es ausgegangen?
Oh_zeh
Dane sehr! Das ist aber lieb! Tjaaa, wenn ich das mal wüsste, Ergebnisse stehen leider immer noch aus !