Prag – achtsam durch den Bahnstreik

Personal Training & Mental Health Coaching

Prag – achtsam durch den Bahnstreik

Eine Bank in Prag

Niemand hat behauptet, dass es einfach wird. Aber zwei Tage Totalausfall bei der deutschen Bahn und ein Kreditkartenverlust an Tag 1 lassen sich definitiv nicht einfach weg atmen.

Meine erste Lektion in Sachen Achtsamkeit läuft aktuell in Dauerschleife: Offen sein. Offen für Covid, Waldbrände, Streiks, Flugausfälle und notfalls Alieninvasionen. Nachdem Indien, Bali, Patagonien, Portugal und Griechenland leider flach gefallen sind, nun also Prag. Ich als alter Großstädtler…. Das wird ein Spaß!

Bevor das hier den falschen Eindruck erweckt: Prag ist eine wundervolle Stadt und ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung, Mit allen Höhen und Tiefen. Aber vielleicht mal von vorn: Die Idee für die Pursuit of Happiness war geboren und mit einer Mischung aus Enthusiasmus und einer Priese Größenwahn, hatte ich mich an die Planung gemacht. Vor meinem geistigen Auge ploppten ferne Länder, Abenteuer, wilde Tiere und beeindruckende Naturschauspiele auf. Natürlich alles fürs Projekt 🙂 Wahlweise war mir die anderthalb Jahre Lockdown, oder meine Leidenschaft zur Wissenschaft etwas zu Kopfe gestiegen, aber aus irgendeinem Grund hielt ich vor meinem geistigen Auge mein Mikrofon mit diesen püscheligen Überzügen, die man aus den Nachrichten kennt, furchtlos in Richtung des Hochsee-Krabbenfischers, mit der anderen Hand an die Reling geklammert. Besagter Hochsee-Krabbenfischer mit muskulösen Armen an irgendwelchen Tauen ziehend, meterhohe Wellen aufs Schiff einprasselnd, brülle ich unbeirrt gegen den Sturm: „Und, was halten Sie so von Work-Life-Balance?“. Du lachst? Mein Mathe-Abi zu schaffen war in etwa genauso weit von der Realität entfernt, also lass mich gefälligst träumen! 🙂 Obwohl sich etwaige andere potentielle Stationen der geplanten Reise von der Umsetzbarkeit an etwas lebensnäheren Modellen orientierten, viel trotzdem eine Idee nach der anderen ins Wasser. Am Ende etwas ratlos, kam dann aber doch noch eine spontane Gelegenheit für einen ersten Zwischenstopp außerhalb der eigenen vier Wände: Ein Wochenendende in Prag.

DIE PLANUNG

(meine heimliche Superkraft)

Die Woche davor war es mit der Gelassenheit dahin, ohne Witz. gefühlt jede Stunde checkte ich Inzidenzen, Wetterberichte und Nachrichten, in der Befürchtung, dass doch noch etwas dazwischenkommt. Das ging drei Tage so, bis es mir selbst auffiel: Achtsamkeit geht irgendwie anders. Sei offen für die Dinge. Let it flow. Du kannst sie sowieso nicht ändern und wenn es anders kommt als geplant, dann vertrau darauf, dass du eine Lösung finden wirst. Ich entspannte mich. Wurd´ auch höchste Zeit. Die Abgabe für die Forschungsarbeit stand an, Hochzeiten, Geburtstage und Spontanbesuche von alten Freunden trennten mich von meiner inneren Ruhe und geplant war irgendwie auch noch nix. Das Projekt begann mit der Bahnfahrt Richtung Prag, Nachts um zwei (unheimlich achtsame Urzeit), trägt enorm zum inneren Glück bei . Die Möglichkeit auf entspannte 11 Stunden Anreise mit Maske in überfüllten und verspäteten Zügen hinzufiebern, ebenfalls. Am Vorabend hab ich noch in Windeseile meinen Fragebogen erstellt, der mir in den folgenden Monaten dabei helfen sollte, herauszufinden wo das verdammte Lebensglück denn nun liegt. Ah. Da war ja was! Die 36 Meldungen über zu niedrigen Patronenfüllstand unterstrichen das Ergebnis: Mein Drucker präsentierte mir vier blassrosane Versionen dessen, was ich hoffnungsvoll in Auftrag gegeben hatte und ich notierte mir kurz ein weiteren Punkt auf meiner inneren To-Do-Liste (hör auf Dinge aufzuschieben und bestell endlich die Patronen). Schritt eins war also erledigt. Bestellung konnte bis nach Prag warten.

Im Zug Richtung München ging ich nochmal die Planung für die nächsten Tage durch: Menschen beobachten (seltener in Tarnjacke aus dem Gebüsch, als eher mit hippem Kaffee-Mischgetränk von irgendeiner Café-Terrasse aus), Leute mit meinem blassrosanen Fragebogen drangsalieren, Achtsamkeit praktizieren und in mich hinein-spüren. Ich spürte. Hunger und ein deutliches Verlangen nach Koffein oder einem Bett. Laut Fahrplan unterbrach ein zweistündiger Aufenthalt am Münchener Hauptbahnhof unsere Anreise. Eigentlich ideal für eine erste Recherche. Vor meinem geistigen Auge schwebte ich die Bahngleise entlang, strahlend und selbstsicher, interviewte Geschäftsleute, Hebammen, Studenten und Renter. In Rollstühlen, Sportkleidung oder frisch vom Laufsteg. Was sollten Menschen schon dagegen haben, wenn man zwei Minuten mit ihnen über Glück sprechen will?

Die Realitätsnähe meiner Traumvorstellungen ist ja bereits bekannt. Heimlich wünschte ich mich zurück zu meinem Hochsee-Krabbenfischer. Im Sturm auf dem Meer zu sterben erschien mir plötzlich angenehmer, als die Umsetzung meiner Mission zwischen Gleis 14 und dem überfüllten Backwarenstand. Ruhe bewahren. Das sind nur Menschen. Wir sind alles Menschen. Wie sagte mein Coach immer? Mach dir bewusst, dass wir alle in Verbindung stehen, betrachte dich nicht als isoliert. Wir sind alles Menschenwesen. Ja. ICH war das Wesen mit den rosa Zetteln und DIE mit der bayrischen Version von einem freundlichen Gesicht. Es war Donnerstag Morgens um 7 Uhr. Ich verstehe das Gesicht, ehrlich. Meinen ersten Anlauf startete ich mit leicht kreisenden Bahnen um ein Rentnerehepaar. Nach Runde sieben packten beide ihr Gepäck und eilten einige Meter aus meinem Sichtfeld. Klasse. Die Kombination aus großflächig tätowierter Haut, Augenringen, als hätte ich ein akutes Drogenproblem und meiner Kreis-Taktik verwandelten mich offenbar von einer ernstzunehmenden Wissenschaftlerin zu einem potentiellen Taschendieb. Ok. Weniger kreisen, mehr Frontalangriff. Mit kritischer Miene lies ich meinen Blick über die Menge schweifen, pickte mir ein geeignetes Opfer heraus und ging über zum Landeanflug „Hallo guten Morgen, dürfte ich Ihnen eine Minute Ihrer…“ „NEIN!“. Wie nein? Wie meinte sie das? Ich war irritiert. Der Rest meines Selbstbewusstseins trabte eilig hinter dem Rentnerehepaar her und lies mich mit eingezogenen Schultern und einem gebeutelten Gesichtsausdruck zurück. Plötzlich fühlte ich mich, als währe ich aus Versehen in der Zeit zurückgereist, wäre wieder 18, hätte diesen wundervollen Probetag für einen Nebenjob, in dem ich Flyer für eine Diskothek an Passanten verteilen sollte. Die Hälfte meines Probetages verbrachte ich damit, mich an eine Hauswand zu drücken und Stoßgebete zu verschicken, mit der Bitte endlich zu Staub zerfallen zu dürfen, die andere Hälfte war ich damit beschäftigt den Stapel Flyer unter mein Bett zu verfrachten. Ich hasse es Menschen zu stören. Ernsthaft. Vor ganzen Hörsälen an Publikum zu sprechen oder Workshops für Wildfremde zu geben, gar kein Problem. Die sind ja mehr oder weniger freiwillig da. Aber Fremde in der Stadt ansprechen? Ich will wirklich zurück zum Hochsee-Krabbenfischer.

Die Literatur sagt, dass ein Teil von Lebensglück auch durch ein Stück Disziplin, oder die Fähigkeit Dinge durchzuziehen bestimmt wird. Also versuchte ich, trotz allem Neid auf Harry Potters Tarnumhang doch noch jemanden für mein Interview zu gewinnen. Nach 2 Stunden konnte ich immerhin auf eine Probandenzahl von n=1 zurückblicken. Dankbarerweise kam endlich der Zug. Obwohl die Art und Dauer der Anreise viel Potential für etwas schiefen Haussegen hatten, verlief der Weg dennoch ausgesprochen harmonisch.

TAG 1

Sag mal, hast du eigentlich unsere Kreditkarten?

15:23 Uhr Ankunft. Läppische dreizehn Stunden mit FFP2 Maske in öffentlichen Verkehrsmitteln wirken wahre Wunder auf die innere Grundzufriedenheit. Mir schien das Glück quasi aus dem … Mit dazu passendem Gesichtsausdruck schliff ich meine Taschen und Rucksäcke hinter meiner Reisebegleitung her und konzentrierte mich wieder mehr auf meine Mitte. Die meldete im Grunde nichts Neues: ich musste pinkeln. Wirklich. Dringend. Pinkeln. Und hatte Hunger (wann mal nicht). Ein geübter Blick durch die Bahnhofshalle sondierte den Ort der Erleichterung. Also in der Theorie. Praktisch leuchtete mir da als erstes ein, was fehlt: Bargeld in der Landeswährung. Meine bewusste Atmung wechselte langsam den Takt und hörte sich allmählich eher nach Geburtsvorbereitung an. Zwei ziemlich unentspannte Urlauber, bis unters Kinn beladen mit Gepäck, irrten ein wenig planlos durch die Bahnhofshalle, bis sich neben diversen, etwas windig wirkenden Wechselstuben endlich eine Bank auftreiben ließ. Nur noch schnell die Kreditkarte gezückt und schon konnte es losgehen. „Sag mal, hast du eigentlich unsere Kreditkarten?“ Äh nein. Hatte ich leider nicht. Die hielt aktuell nämlich der heimische Schreibtisch in seiner Gewalt, wo wir sie wegen der ganzen Airbnb Hin- und Herbucherei nämlich höchst achtsam platziert hatten. Kurze Kernschmelze meinerseits. Da kannst du noch so viel Jahre Yoga machen und vor dich hin-meditieren. Manche Situationen erweisen sich einfach als un-meditierbar. Also zumindest in meiner Welt. Den Verlauf der folgenden fünf Minuten erspare ich euch an dieser Stelle, aber als Hannibal mit seinen Elefanten über die Alpen zog, hatte er vermutlich ein deutlicheres Gefühl von wahrer Lebensfreude, als meine arme Reisebegleitung.

Mit empfindlichen Gebühren verbundene Bargeldwechselei und einem zwanzig-minütigen Fußweg durch Dauerregen später, konnte der Urlaub dann endlich starten: Das Airbnb war ein Traum! Mitten in der Prager Innenstadt, sauber, ruhig und genug Platz für eine Yogamatte, ich war wirklich begeistert! Den ersten Tag verbrachten wir im Prinzip so, wie wir es artig aus jedem Reiseführer ableiten konnten: Innenstadt check, Kathedrale check, Karlsbrücke check, Kirche 1-381 checkcheckcheck, kuriose Süßkram-Rolle mit Eis drin CHECK, Bier check, tanzendes Haus check, checkcheckcheckcheckcheck. Tag quasi rum und bisher noch verdächtig wenig nach innerem Glück geforscht. (Die Altstadt ist übrigens unglaublich schön, es gibt traumhafte Gebäude und unzählige schöne Bars, Restaurants,Läden und KIRCHEN, überall stehen Kirchen rum :))

Ich gelobte Besserung. Am nächsten Tag sollte das Thema Lebensglück und Achtsamkeit wieder mehr im Vordergrund stehen. Obwohl mir bestens bekannt ist, dass sich wahres Glück selten im Außen findet, sondern im Inneren „wohnt“, muss so ein Körper ja auch irgendwie versorgt sein. Also haben wir uns vorsorglich durch die gesamte Innenstadt gefuttert. Rein zu wissenschaftlichen Zwecken natürlich, denn schenkt man den Werbetafeln vor den unzähligen Marktständen annähernd Glauben, scheint das wirklich wahre Glück absolut ausschließlich in einer (überteuerten) Mischung aus Fett, Zucker oder Aperol Spritz zu liegen. Gegen Abend probierte ich letzteres. Am orangenen Glas nippend und immer noch kläglich versuchend die tschechische Küche zu verdauen, beobachtete ich das Treiben in den Gassen. In Prag kann man den Eindruck gewinnen, dass Lebensglück ausschließlich in Konsum zu finden ist. Insgesamt scheint die Stadt optimal auf Tourismus ausgelegt zu sein, auf eine Art, die mich an heimische Rummelplätze erinnert. Jahrmarktbuden, Zuckerwatte, der stetige Geruch von verbranntem Fleisch und an jeder Ecke günstiges Bier. Bereits am zweiten Aperol nippend, traf mich innerlich gefühlt der Schlag. Kurz vorab: Ich neige ein ganz klein wenig zu Hypochondrie. Zugegebenermaßen erst seitdem mich eine Diagnose ziemlich aus dem Nichts ereilte (vermutlich kommen die immer aus dem Nichts, aber ich bin immer noch stinksauer auf meinen Körper, dass er nicht mal einen leisen Schnupfen als Vorwarnung schickte, während sich innerlich munter ein Haufen Zellen in Akkordarbeit teilten, aber zurück zum Aperol.) Hatte Tschechien nicht ein ganz kleines Imageproblem bezüglich selbstgebranntem Alkohol und einigen daraus resultierten Todesfällen? Ich spürte bereits mein Augenlicht weichen, als Google die Erleichterung offenbarte: Ja gab es tatsächlich, ist aber neun Jahre her. Vermutlich würde ich meinen Aperol also doch knapp überleben. Wenngleich Trinken mit Begründung in puncto Suchtentwicklung meist keine gute Angewohnheit ist, hatten wir an dem Abend einen Grund, mit dem mein gesundheitswissenschaftler-Gewissen einigermaßen d´accord ging, also zumindest die Basisidee: Nach über anderthalb Jahren sollte der erste Abend sein, an dem endlich wieder getanzt werden konnte. In einem Club. Mit Menschen. Und echtem Dj. Meiner Vorfreude nach zu urteilen, war ich dem Lebensglück ein gutes Stück näher gekommen. Ich LIEBE tanzen. Nächte lang, barfuß, mal wild, mal leise. In Menschenmengen, oder ganz für mich allein.

Wir entschieden uns zu Fuß zum Club zu gehen, der einige Kilometer außerhalb auf der anderen Uferseite der Moldau lag und durch ruhigere Viertel außerhalb des Stadtkerns führte. Gegen 12 erreichten wir den Club und ich hab mich ungefähr so gefühlt wie ein Teenager, der mit geliehenem Ausweis das erste Mal in seinem Leben eine Diskothek betritt. Der „Cross-Club“ besteht aus unzähligen Stahllabyrinthen, Maschinenteilen, zu futuristischen Werken zusammengelöteten Schrottelementen. Ein Palast aus Krieg der Welten.

Cross Club Prag
Cross Club Prag

Als etwas weniger beeindruckend erwies sich das Hygienekonzept, welches aus einem Blatt Papier und einem Kugelschreiber bestand, auf dem sich alle Besucher mit Vor- und Nachnamen und Telefonnummer eintrugen. Ende der Maßnahmen. Kein Vorzeigen von Impfpässen oder Tests, keine Maske, kein Personalausweis. Das was ich die nächsten Stunden fühlte, ist dennoch kaum zu beschreiben. Abgesehen von den beiden Aperol, nüchtern, mitten unter Menschen und dennoch nur bei mir. Stundenlang die Musik gefühlt und ENDLICH wieder getanzt. Ich glaube an diesem Abend wäre egal gewesen, welches Genre der Club gespielt hätte, ich war einfach unendlich glücklich wieder ausgelassen tanzen zu können. Um vier ging es heim. Durchgeschwitzt. Grundglücklich. Müde und zufrieden. Knapp zwanzig Euro für sieben Minuten Taxifahren später, endete die Nacht wieder im Airbnb.

DER (vermeindlich) LETZTE TAG

ZäHLEN DREI BÄUME SCHON ALS WALD?

In Ermangelung an einem Kater ging´s relativ früh am nächsten Morgen los. Da wir abends einen Tisch in einem vielversprechenden Restaurant gebucht hatten, wollten wir uns mit dem Essen über Tag etwas zurückhalten und meiner Sehnsucht nach etwas Grünfläche mehr Raum geben. So schön ein airbnb in der Innenstadt auch sein mag, aber viel Ruhe findet man da nicht. Also Kaffee und Yogamatte geschnappt, Google Maps nach Grün erkundet und los ging die wilde Fahrt. Oder der Fußmarsch. Von einer Hauptverkehrsstraße zur nächsten. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich den Nachmittag dem Wind in den Blättern lauschen, in völliger Zufriedenheit meditieren, Yoga praktizieren und im gänzlichen Einklang mit mir und der Welt zum Restaurant entschwinden. Hey Prager! Wie macht ihr das? Also vorweg: das gesamte Land ist durchzogen von unendlich schönen Feldern, Wäldern, Flüssen und Bergen. Aber in der Stadt ist´s schon ein kleiner Staatsakt ein paar Quadratmeter Grün aufzutun. Noch optimistisch liefen wir die anderthalb Stunden an Verkehrsadern entlang und ich gedachte im Stillen den Großstadt-Chihuahuas, die sich sehnlichst ein Bäumchen zum Gassigehen wünschten, als sich endlich die vermeintliche Grünfläche auftat. Allerdings lagen da schon recht viele. Jedoch tendenziell unter der Erde. Hurra! Mit meinem scharfsinnigen Verstand hatte ich den Friedhof gefunden. Gratulation an mich selbst 🙂 Ich versuchte mich an meiner schwersten Lektion: Dinge so anzunehmen wie sie kommen und offen für Neues zu sein. Auch wenn ich andere Pläne habe. Ich mag meine Pläne. Am liebsten wenn sie funktionieren. Und nach zwei Tagen ohne ein einziges Eichhörnchen oder ner Handvoll Bäume, in freudiger Erwartung eines Waldes, einen riesigen Friedhof vorzufinden, kam, nun ja, unerwartet.

Prager Friedhof
Prager Friedhof- und offensichtlich kein Ort für Yoga

Nach kurzem Überlegen, ob ich meine Matte vielleicht doch heimlich irgendwo ausrollen sollte, verwarf ich den Gedanken und wir nutzen den Ort, um ihm etwas achtsamer und respektvoller zu begegnen. Mit einem Spaziergang, über die eigene Sterblichkeit und das Leben als Ganzes philosophierend und in Ruhe. Ich persönlich brauche diese Vergegenwärtigung manchmal. Um das zu schätzen was man hat und um Anteil zu nehmen an dem, was andere nicht mehr haben. Nimmst du dir diese Zeit? Wie ist dein Verhältnis zum Tod? Wie zum Sterben? Ein Mönch hat mal zu mir gesagt (kein Witz, war doch ne Woche im Kloster), dass wir die Zeit, die wir haben damit vergiften, wenn wir zu sehr an ihr festhalten. Da ist aus meiner Sicht viel Wahres dran. Einer der wichtigsten Lektionen auf dem Weg in ein achtsames und glückliches Leben ist die wertfreie Annahme des gegenwärtigen Moments. Heute ist heute. Und morgen ist morgen. Manchmal tut es gut, sich der Grenzen des Seins wieder bewusst zu werden, aber es ist wichtig diese Gedanken auch wieder loslassen zu können. Ein anderer Mensch, zwar kein Mönch, aber trotzdem n ziemlich weiser Fuchs, hat mir mal gesagt, dass ich mir selbst vertrauen muss. Die Welt und die Umstände kann ich ohnehin nicht beeinflussen. Aber ich kann darauf vertrauen, dass ich in allen Momenten wissen werde was zu tun ist. Das ist für mich persönlich eine der schwersten Lektionen. Aber es ist eine sehr wichtige. Versuche dir selbst zu vertrauen und die Angst gehen zu lassen.

Wie das in der Praxis auszusehen hat, konnte ich im Anschluss an den Spaziergang direkt mal üben: Eine weniger existenzielle, jedoch ziemlich akute Angst machte sich breit: Die vor der Deutschen Bahn. Die hatte sich nämlich überlegt direkt nochmal zu streiken und sämtliche Verbindungen der folgenden zwei Tage ausfallen zu lassen. Ich atmete. Tief ein und aus. Dann nur noch ein und aus. Ziemlich schnell und ziemlich unachtsam. Kleine Kernschmelze Nummer zwei unseres Aufenthaltes. So schnell war sie dahin, die Entspannung und innere Mitte. Keine Spur mehr von innerem Glück. Vielleicht noch ein Quäntchen Glück. Vielleicht auch nur noch Hass. Nach einer differenzierteren Wahrnehmung der eigenen Gefühlslage stand mir ohnehin nicht mehr der Sinn. Meiner armen Reisebegleitung auch nicht. Vier Telefonate mit betörender Warteschleifenmusik und einem erfolgreichen Anruf mit dem ebenfalls nahe der Kernschmelze stehenden (aber sehr freundlichen) Kundenservice der deutschen Bahn später, stand fest: Prag hatte noch zwei weitere Tage mit uns! Halleluja! Da freuen sich Arbeitgeber und Klienten!

Die letzten zwei Tage versuchten wir Prag dann weniger touristisch und etwas planloser zu erleben. Alles in Allem als Kurzurlaub wirklich empfehlenswert, blieb bei mir aber immer wieder der Eindruck, dass die Innenstadt irgendwie „unauthentisch“ oder „aufgesetzt“ wirkt. Etwas unauthentisch musste ich leider auch meinen Startschuss ins Abenteuer „Pursuit of Happiness“ bewerten, wie ich zu meiner Schande gestehe. Unterm Strich ist mir das mitnehmen meiner Routinen in eine so unroutinierte Lebenswelt leider nicht wirklich gelungen, deshalb freue ich mich diese Woche wieder daheim in meinen vier Wänden zu sein, bevor die Reise nächste Woche weitergeht! Wie gehst du mit Veränderungen in deinem Alltag um? Gelingt es dir an deinen Routinen festzuhalten? Hast du überhaupt welche?

Ein wundervolles Zitat, wie ich finde

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